Die Suchthilfe Ost ist ein Kompetenzzentrum für Sucht mit rund 40 Mitarbeiter:innen. Wir beraten, begleiten und unterstützen Betroffene, Angehörige und die Öffentlichkeit mit vielseitigen Angeboten. Die Suchthilfe Ost ist in den solothurnischen Bezirken Dorneck, Gäu, Gösgen, Olten, Thal und Thierstein aktiv. Als Institution, die durch ihr Angebot in Prävention, Beratung und Schadensminderung auf mehreren Ebenen ansetzt, ist es der Suchthilfe Ost wichtig, dass diese Ebenen auch im Gesetz verankert sind.
Die Suchthilfe Ost steht dem Entwurf positiv gegenüber. Im Allgemeinen sind folgende Punkte, die bereits der Fachverband Sucht in seiner Stellungnahme erwähnt hat, auch aus der Sicht der Suchthilfe Ost als positiv hervorzuheben.
Gesundheitsschutz vor Profit:
Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass nicht nur illegale, sondern auch schwach regulierte legale Märkte negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und den Jugendschutz haben. Das gilt insbesondere, wenn Produzent:innen Profit aus dem Cannabisverkauf schlagen können. Die Suchthilfe Ost begrüsst daher das im Gesetzesentwurf vorgesehene Modell eines nicht-gewinnorientierten Verkaufs von Cannabisprodukten und dass dieser über eine begrenzte Anzahl an Verkaufsstellen erfolgen soll, deren Betreiber eine kantonale Konzession erhalten müssen. Auch wird begrüsst, dass der Anbau und die Herstellung von Cannabisprodukten strikt vom nicht-gewinnorientierten Verkauf getrennt werden und dass strenge Qualitätsanforderungen für die Cannabisprodukte gelten sollen (Übernommen aus Stellungnahme von Fachverband Sucht, 10.10.2025).
Entkriminalisierung des Cannabiskonsums:
Das aktuell geltende Cannabisverbot verhindert nicht, dass ein Teil der Bevölkerung Cannabis konsumiert. Dieser Konsum fördert den illegalen Markt. Die Neuregulierung von Cannabis, wie sie im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehen ist, ermöglicht es, einerseits die Produktequalität zu überprüfen. Andererseits befreit sie konsumierende Erwachsene aus der Illegalität und der damit verbundenen Stigmatisierung. Erwachsene aber auch Jugendliche mit einem problematischen Konsum oder einer Abhängigkeit können im Umfeld eines legalen Marktes besser dazu ermutigt werden, entsprechende Unterstützung in Anspruch zu nehmen (Übernommen aus Stellungnahme von Fachverband Sucht, 10.10.2025).
Überwachung der Umsetzung & Monitoring:
Der Gesetzesentwurf sieht eine umfassende Überwachung sowohl der Umsetzung als auch der Auswirkungen des Gesetzes vor. Solche Überwachungsmassnahmen sind von zentraler Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Cannabisneuregulierung die angestrebten Ziele erreicht. Zudem ist ein Monitoring mit verlässlichen Daten zum Cannabiskonsum und den Auswirkungen zentral für die Ausrichtung der Massnahmen im Bereich der Prävention, Beratung und Schadensminderung. Vergleichbare Monitoring- und Kontrollmechanismen fehlen in den gesetzlichen Bestimmungen zu Alkohol, Tabak und Geldspielen bislang weitgehend. Für ein funktionierendes Monitoring ist es zentral, dass genügend finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung stehen und diese nicht zukünftigen Sparmassnahmen – wie dies aktuell z.B. mit Abwassermonitoring passiert – zum Opfer fallen. Ansonsten werden die Prävention, Beratung und Schadensminderung zu einem Blindflug (Übernommen aus Stellungnahme von Fachverband Sucht, 10.10.2025).
Im Folgenden wird auf Aspekte des Entwurfs mit Verbesserungspotenzial eingegangen. Die Suchthilfe Ost unterstützt dabei die Änderungsvorschläge des Fachverbands Sucht. Ausserdem werden jene Artikel kommentiert, die aus Sicht der Suchthilfe Ost darüber hinaus angepasst werden sollten oder bei denen der Vorschlag des Fachverbands durch zusätzliche Argumente ergänzt wird.
Flankierende Massnahmen für konsumierende Minderjährige:
Für Minderjährige bleibt der Cannabiskonsum weiterhin verboten. Zu ihrem Schutz sieht der Gesetzesentwurf verschiedene Massnahmen vor. Dazu zählen unter anderem ein umfassendes Werbeverbot für Cannabisprodukte sowie ein Verbot von Verkaufsförderung und Sponsoring. Diese Massnahmen zielen primär darauf ab, den Einstieg in den Konsum insbesondere für Jugendliche, aber auch für andere Altersgruppen, zu verhindern. Die Suchthilfe Ost begrüsst diese Massnahmen grundsätzlich. Angesicht der Tatsache, dass trotz Verbot viele Jugendliche Cannabis konsumieren, hält die Suchthilfe Ost jedoch zusätzlich flankierende Massnahmen für konsumierende Minderjährige für zwingend notwendig. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der Schwarzmarkt zunehmend auf diese Zielgruppe konzentriert. Dieser Aspekt ist aus Sicht der Suchthilfe Ost im aktuellen Gesetzesentwurf noch nicht ausreichend berücksichtigt. Zu den erforderlichen flankierenden Massnahmen für Minderjährige gehören unter anderem der gesicherte Zugang zu kostenlosen Angeboten zur Früherkennung von problematischem Konsum, der Ausbau des Beratungs- und Therapieangeboten, die Schadenminderung durch risikoarmen Konsum, sowie der Ausbau von Drug-Checking Angeboten speziell für Minderjährige. Für die Umsetzung dieser flankierenden Massnahmen sind entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen erforderlich. Ebenso wichtig ist es, dass im Sinne des Jugendstrafrechts weiterhin der Grundsatz «Unterstützung statt Strafe» verfolgt wird. Massnahmen zur Verhaltensänderung sollen strafrechtlichen Sanktionen vorgezogen werden. Die von Jugendanwaltschaften angeordneten und von Sucht-Fachstellen durchgeführten Cannabiskurse («JugA-Kurse») für erstauffällige Jugendlichen sollen beibehalten werden. Im Gegenzug soll auf weitergehende strafrechtliche Massnahmen verzichtet werden (Übernommen aus Stellungnahme von Fachverband Sucht, 10.10.2025).
Die Suchthilfe Ost sieht wie der Fachverband Sucht die Gefahr, dass sich der Schwarzmarkt zunehmend auf Jugendliche konzentrieren könnte. Um dem problematischen Cannabiskonsum von Jugendlichen entgegenzuwirken, schlägt die Suchthilfe Ost eine zusätzliche Massnahme vor, welche gesetzlich verankert werden sollen. Im Bereich der Früherkennung und Frühintervention sollen die Kantone beauftragt werden, die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten an Schulen zu fördern, um sicherzustellen, dass problematischer Konsum bei Jugendlichen frühzeitig erkannt wird und eine frühe Intervention möglich ist.
Preisfestsetzung von Cannabisprodukten:
In der Gesetzesvorlage wird lediglich dargelegt, wie sich die Lenkungsabgabe zusammensetzt – nicht jedoch, wie sich der effektive Preis von Cannabisprodukten ergibt bzw. wie hoch dieser Preis tatsächlich sein wird. Aus Sicht der Suchthilfe Ost ist es zentral, dass die Preisgestaltung mehreren Zielen gleichzeitig gerecht wird: Die Preise müssen einerseits konkurrenzfähig gegenüber dem illegalen Markt sein. Es soll verhindert werden, dass erwachsene Konsumierende aus Preisgründen auf den Schwarzmarkt ausweichen. Andererseits dürfen sie preissensible junge Erwachsene nicht zum Konsum verleiten. Wie diese anspruchsvolle Balance im Rahmen des neuen Cannabisproduktegesetz erreicht werden soll, bleibt bislang unklar. Die laufenden Pilotprojekte könnten in diesem Zusammenhang erste wichtige Erkenntnisse liefern (Übernommen aus Stellungnahme von Fachverband Sucht, 10.10.2025).
In Bezug auf die Bemessung der Lenkungsabgabe fordert die Suchthilfe Ost, dass die Konsumform in das anwendungsspezifische Risiko einfliesst.
Art. 63 Bemessung der Lenkungsabgabe
Absatz 1 beschreibt, dass sich die Lenkungsabgabe aus einer Abgabe auf den THC-Gehalt des Cannabisprodukts und aus einer Abgabe auf das anwendungsspezifische Gesundheitsrisiko des Cannabisprodukts zusammensetzt.
In Absatz 2 wird beschrieben, dass sich das anwendungsspezifische Gesundheitsrisiko anhand des Gewichts oder Flüssigkeitsvolumens des Cannabisprodukts bemisst.
Die in Absatz 2 vorgeschlagene Bemessung nach Gewicht oder Flüssigkeitsvolumen ist unzureichend, da auch die Konsumform einen erheblichen Anteil am anwendungsspezifischen Risiko trägt.
Alle Konsumformen von Cannabis bergen Risiken. Im Vergleich zu anderen Konsumformen wie dem Verdampfen oder Konsumieren von Edibles verursacht das Rauchen, insbesondere in Kombination mit Tabak, jedoch vermehrt Atemwegserkrankungen. Deshalb sollen Cannabisprodukte, welche geraucht werden mit einer erhöhten Lenkungsabgabe belegt werden.
Regulierung des Konsums im öffentlichen Raum:
Die Suchthilfe Ost begrüsst den starken Fokus auf den Jugendschutz, den der Gesetzesentwurf verfolgt. Jedoch wird eine wesentliche Komponente dieses Schutzes noch nicht ausreichend berücksichtigt: Im aktuellen Entwurf gibt es keinen Artikel, der dem Konsum von Cannabis an Orten entgegenwirkt, an denen sich typischerweise Minderjährige aufhalten, wie beispielsweise im Umfeld von Bildungseinrichtungen und auf Spielplätzen. Je nach Konsumform, können an diesen Orten Kinder und Jugendliche durch Passivrauch gefährdet werden. Ausserdem könnte eine wiederholte Begegnung mit konsumierenden Erwachsenen dazu führen, dass der Konsum als Norm wahrgenommen wird. Dies könnte möglicherweise die Hemmschwelle senken, später selbst Cannabis zu konsumieren.